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Kollektives Frühlingsschinden. HAUTEN

nicole pruckermayr, 2009

Xipe Totec ist der Vegetationsgott der Azteken, aber auch der Gott des Frühlings. Jedes Frühjahr wurde ihm zu Ehren ein Fest gefeiert, das Tlacaxipenaliztli, welches mit Menschenopfern verbunden war. Als Symbol für den Kreislauf von Leben und Sterben in der Natur opferte man einen Kriegsgefangenen. Die Opfer wurden gehäutet, die Haut umgedreht und dem Priester angezogen, bis sich die Haut des Opfers auflöste, verrottete. Das Vorgehen ist/war gewaltsam und brutal. Xipe Totec brachte dem jeweiligen Opferpriester immer wieder Erneuerung/Verjüngung. Faszinierend ist dabei der Glaube an die Wirkung der Haut als Überbringerin einerseits für neues Leben, andererseits aber auch für die Eigenschaften der getöteten Person. Die Haut und zwar nur eine dünne oberflächliche Schicht, erhält die Macht die Identität einer Person nicht nur während des Lebens zu bestimmen, sondern diese Identität auch über ihren Tod hinweg weiter zu tragen. Die Haut ist nicht erst seit den westlichen Erkenntnissen der Psychoanalyse identitätsstiftend, gibt dem Ich eine Form und gleichzeitig auch Halt. Diese frühe Form des Kultes rund um die Haut erschüttert und fasziniert zugleich.

HAUTEN

Auf Basis dieser Faszination und dieses Wissens entsteht die performative Installation „Kollektives Frühlingsschinden. HAUTEN“. Es werden in festgelegten Zeiten innerhalb der Ausstellungsräumlichkeit performativ Latexabdrücke von der menschlichen Haut freiwilliger Personen abgenommen. Fein säuberlich, möglicherweise teilweise etwas schmerzhaft – je nach Körperteil und Haarwuchs – werden Abdrücke angefertigt. Die „SpenderInnen“ sind aufgerufen mitzuteilen, was sie mit ihrer Gabe erneuern wollen. Ähnlich gewisser Brauchtümer, wie zum Beispiel des Fruchtbarkeitskultes rund um den Palmbuschen, werden Ersatzhautteile an besetzungswürdige Stellen des Stadtraumes platziert. Wie Pflaster sollen diese Hautteile Verjüngung und erfrischende Motivation geben. Identitäten von Individuen nehmen so öffentlichen Raum ein. Gemeinsam mit der Künstlerin werden Wege gesucht, um die jeweiligen Wünsche zu erfüllen. Mögen wir da draußen gedeihen und fruchten. Jeder Abdruck soll jedoch gleichzeitig auch fotografiert/dokumentiert werden und als singuläres Kunstwerk im Ausstellungsraum zumindest für einen kurzen Zeitraum präsent sein um auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von verschiedenen Häuten einen Fokus werfen zu können. Durch den Abdruck der Haut wird die Gemeinsamkeit der Menschen als Menschen ohne farbigen Haut- oder Genderunterschied sichtbar. Der Abdruck ist auf wenige Eigenschaften der Haut reduziert und dennoch gibt er sehr viel preis und ist intim. Das Schinden des eigenen Leibes gibt aber auch Klärung und Reinigung, nicht nur das mit Erneuerung zu Beglückende, auch man selbst erfährt Verjüngung. Ist es dies, was man sucht, beim Peeling? Ähnlich den Schlangen hinterlässt man innerhalb der Ausstellung ein wenig Ballast und eventuell aber auch Identität. Dessen sollte man sich bewusst sein.


HAUTEN HAUTEN

ermöglicht durch den Galerieraum Sumpfhahn (Sumpfhenne) im Rahmen der Reihe:
Female satisfaction resp. wider der ständigen Verfügbarkeit des Weiblichen
Kunstraum Sumpfhahn
Fliegendes Atelier Babelle


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